Montag, 27. April 2015

Von Titanen und einer langen Reise ohne Widerkehr!

50 Jahr, graues, schütteres Haar und grad ein tolles Geschenk bekommen. Das ist eines der letzten Fotos von meinem Vater,  auf denen er noch Gesund ist. Das Geschenk war übrigens ein Paraglidesprung. 
Ich saß eines Morgens in der Küche meiner Mutter und starrte noch schlaftrunken an den Kühlschrank, darauf wartend das der Kaffee langsam durch die Maschine floss und mir den entscheidenden Funken des Lebens einflößen würde um den Tag bestreiten zu können, ohne jemanden den Kopf abzubeißen. Während ich also so starre fällt mein Blick auf ein magnetisches Lesezeichen, welches ganz dreist als Kühlschrankmagnet missbraucht wurde und auch heute noch wird. Der Bezeichnende Spruch Frag Vati! stand darauf, darunter abgebildet ein VW Käfer. Meine Gedanken rattern und ich drehe meinen Kopf etwas. "Nun was meinst du? Soll ich dich mal fragen ob du mir was erzählen kannst?" Keine Antwort. Ich warte einen höflichen Augenblick, stehe auf und schenke mir den schwarzen Saft des Lebens ein. Auf eine Antwort wartete ich nicht wirklich, denn ein Bild kann lediglich in einer fiktiven Welt wie der von Harry Potter interagieren und in der lebe ich leider nicht. Fakt ist mein Vater kann mir nichts mehr erzählen und das schon seit vielen Jahren nicht mehr. Ebenfalls Fakt ist, dass ich Kaffee an der Stelle trinke an der er verstorben ist und darüber sinniere was er mir alles erzählen könnte. Heute am 27.04.2006 ist mein Vater an den Folgen seines dritten Schlaganfalls verstorben. Doch der Weg dahin war ein noch viel weiterer und begann im Jahr 1999. Die Erinnerungen an diese Zeit sind für mich noch immer wie die Fahrt mit einer Achterbahn und ich habe viele Lehren aus diesen Tagen gezogen. Neben den unglaublich vielen Plänen welche nie durchführbar waren und all den Stunden, Tagen und Wochen in denen ein bisweilen recht eigenwilliger und unkontrollierbarer Teenager unter Schwerstpflegefällen der Stufe drei plus lebte, wirkt das alles surreal. Erfahrungen die mich eng an den Tod schweißen ist die Tatsache das bis auf meine Großmutter väterlicher Seits alle meine nahen Verwandten um die ich mich mitgekümmert habe auch in meiner Gegenwart verstorben sind. Mein Vater war der erste Mensch den ich habe sterben sehen und das war ein Erlebnis das ich um meines Vaters willen gerne missen würde auf der anderen Seite aber einen anderen Menschen aus mir gemacht hat. Wenn ich ehrlich bin, ich war schon immer verzweifelt mit der Situation in der ich steckte und der Ratschlag, "Zieh halt aus und weg!" war nie eine Option, zusätzlich das es ungemein Feige ist seine Familie im Stich zu lassen wo sie einen Braucht. Meine Schwestern hatten sich weitestgehend aus dem Staub gemacht, ich war der Einzige der noch im Elternhaus verblieben ist und was soll ich sagen, beide sind Heute leider stark in Schieflage, wenn nicht sogar am Boden. Witziger weise höre ich selten Akzeptanz was mein Leben, meine Geschichte und das was ich bin anbelangt. In fast allen Fällen sollte ich mich immer zurück nehmen und möglichst die Klappe halten um die Stimmung nicht zu drücken. Etwas das mich vor ein paar Jahren an den Rand getrieben hat. Einen sehr steilen Rand. Der einzige Gedanke der mich dort weggeholt hatte war der meinen Vater nicht zu enttäuschen und tatsächlich diente mir der Gedanke einen längst verstorbenen Mann mit Stolz zu erfüllen mit der Kraft Dinge zu tun. Von meinem Werdegang in der Hauptschule über die Berufsfachschule in Wirtschaft und Verwaltung. Mein Abitur, das Leben mit einer ätzenden Gelenkkrankheit, mein Jahr in der Denkmalpflege und das Studium. Meine Hobbys und das Stolpern durch die Welt, was mir einen Sack voll Geschichten eingebracht hat, den ich nur zu gerne teilen würde. Ich bin der letzte Mann der Familie und habe wie viele andere niemanden mehr den ich noch um Rat fragen kann, wenn ich nicht weiß was ich machen soll oder jemanden dem ich genug vertrauen würde um mich völlig zu öffnen. Anders als man vermuten mag erzähle ich tatsächlich nie alles was in mir vorgeht oder was ich tatsächlich gesehen und erlebt habe, da mir schon früh immer der Mund verboten wurde. Diese Dinge sind nur solche die man seinem Vater erzählt oder Großvater. Leider wird mir nur immer wieder bewusst das diese Optionslosigkeit oft viel Kraft kostet, denn man zerbricht sich den Kopf und weiß nicht vorwärts wo eine Hand auf der Schulter vielleicht schon ein wenig Kraft spenden könnte. Meine Mutter kann diesen Part nicht übernehmen, da stehen zu viele Dinge zwischen als das sie die Rolle auch nur im Ansatz einnehmen könnte und meine Freundin ist nun einfach nicht mein Vater, wenngleich sie mir sehr sehr gut tut. 

Nun gut, wenn ich zurück denke so bleibt mir nur mich an den wenigen Erinnerungen zu erfreuen, die ich mit meinem Vater hatte und vielleicht wird das Loch welches er hinterlassen hat irgendwann gefüllt werden von mir mit meinen Kindern. Auch wenn das Vermissen niemals aufhören wird.

euer Scrooge

Mein Vater und ich. Die Ähnlichkeit ist denke ich mal offensichtlich. :)


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